Biedermeier

Laut der klassischen Definition beginnt das Biedermeier 1815, im Jahr des Wiener Kongresses und endet 1849, mit der Deutschen Revolution und umfasst somit eine Zeitspanne von fast 35 Jahren. Soll man nun die typischen Merkmale eines Biedermeierkleides beschreiben, so wird man vor ein Problem gestellt. Welches Biedermeier? Das Biedermeier um 1820, 1835 oder um 1849? Alle Jahre gehören zur selben Epoche und doch war die Erscheinung der Dame gänzlich unterschiedlich - wobei die markanteste Ausprägung der Mode sicherlich um 1835 erreicht waren. Doch beginnen wir der Reihe nach.

1815 - 1825


Allmählich verlässt die Mode die klassisch schlichte Figur des Empire. Die liebgewonnene hoch angesetzte Taille wird jedoch in den ersten Jahren des Biedermeier zunächst beibehalten. Der Saum des Kleides gewinnt an Weite und wird gerne durch Verzierungen aller Art wie z.B. Stickereien, Volants, wattierte Rouleaux betont. Puffärmelchen oder auch gepuffte Überärmel schmücken die Oberarme. Gefältelte oder gerüschte Kragen aus Batist verdecken das Dekolleté und schmücken den Ausschnitt.

Neben den gängigen Kleidern werden auch Kleider mit der Optik eines Mantels gerne getragen. Die Verzierung dieser Kleider richtet sich hierbei vertikal aus, einen Verschluss imitierend.

Farben halten in der Mode wieder Einzug und verdrängen das beliebte Weiß des Empire.

Bis 1820 hält sich die hohe Taille und beginnt dann langsam wieder an ihre natürliche Stelle zu sinken, die sie etwa um 1823 wieder erreicht. Gerne wird die Taille durch Gürtel oder Bänder betont.

Die zunehmende Weite der Röcke wird durch die Verarbeitung von Stoffbahnen erreicht. Unten sind die Stoffbahnen hierbei breiter, Richtung Taille werden die Bahnen schmäler geschnitten. Um dem größer werdenen Rockumfang die notwendige Unterstützung zu geben, verstärkt man Unterröcke am Saum mittels Einnähen von Schnüren und erreicht hierdurch mehr Volumen. Die Verzierungen der Röcke werden immer üppiger, nehmen immer mehr Platz ein und erreichen gegen 1825 schließlich Kniehöhe.



1826 - 1835


Dem Oberarm wird in den nächsten Jahren immer mehr Bedeutung zukommen. Jahr für Jahr werden die Ärmel in diesem Bereich größer und benötigen schließlich Unterstützung durch Vorrichtungen aus Fischbein oder Polster um die Fülle halten zu können und nicht zusammen zu fallen. Bekanntheit erlangt die Bezeichnung "Hammelkeulenärmel", welcher die Form der Ärmel treffend formuliert.

Die Röcke nehmen nun auch an der Taille an Weite zu. Um der Stoffmengen Herr zu werden, beginnt man ab 1828 die Röcke in der Taille in Falten zu legen und am Taillenband anzubringen. Überhaupt erlangt die Taille als Gegengewicht zur immer breiter werdenden Schulterpartie und den wachsenden Röcken mehr Bedeutung und man legte umso mehr Wert auf eine schmale Taille - mit der Folge, dass die Korsetts entsprechend geschnürt wurden.

Zwischenzeitlich hatte sich auch die Hutmode derart entwickelt, dass sie in der zweiten Hälfte der 1820er Jahre nicht mehr zu übersehen war. Breitkrempige, mit Federn und Bändern verzierte Hüte mit hohen Kronen sorgten dafür, dass die aufwändigen Hochsteckfrisuren der Damen darunter Platz fanden. Mit Ihrer Größe ergänzten Sie das Erscheinungsbild der Dame und hatten ab 1826 mitunter sehr extravagante Ausschmückungen. Modekupfern zufolge wurden die Hüte ganz keck leicht schräg getragen. Ab ab 1830 räumten sie ihren Platz für eine Schutenform.

Gegen 1830 waren die Verzierungen der Röcke nicht mehr so üppig, man liebte diese wieder zurückhaltender garniert oder gar glatt zu tragen. Dafür wuchs das Volumen der Röcke beständig an. Aus einer zunächst konischen Silhouette des Rocks entwickelte sich langsam eine kuppelartige Form. Um diese Fülle erreichen zu können, nahm die Anzahl der Unterröcke zu. Hierbei wurde mindestens der zuunterst getragene Unterrock zusätzlich versteift. Hierfür wurden zum Beispiel gestärkte Stoffe oder die bereits erwähnten Schnur-Unterröcke genutzt (die Schnüre waren nun längst nicht mehr nur am Saum sondern bis über dreiviertel der Länge angebracht) oder Unterröcke aus Rosshaargewebe oder auch eine Mischung aus unterschiedlichen Methoden - egal wie, Hauptsache der Unterrock hatte Stand und brachte Fülle. Die Kleider wurden zeitenweise ein wenig kürzer, fast fußfrei getragen.

Die sich rasant entwickelnde Baumwollindustrie machte sich in der Mode bemerkbar. Bedruckter Baumwollstoff konnte in verschiedensten Designs erworben werden und folglich wurden hieraus gerne Kleider gefertigt. Aufgrund des vorhandenen Musters benötigten diese Kleider auch nicht zwingend weitere Dekorationen.


Inzwischen lag das Augenmerk ohnehin auf dem immens breit scheinenden Oberkörper. Dieser wurde durch das Tragen von Schultertüchern aus feinem Gewebe noch zusätzlich betont, die den sehr weiten Ausschnitt bedeckten oder auch durch entsprechende Akzente im Kleid herausgearbeitet. So steuerte die biedermeierliche Mode 1835 auf ihren Höhepunkt zu: Riesige ballonartige Ärmel, schmale Taillen und weite Röcke. Dazu reichlich dekorierte Hüte, deren Krone inzwischen nach hinten gekippt war und deren Krempe das Gesicht der Trägerin umrahmte. In dieser Zeit muss der Grat zwischen einer grotesken und einer eleganten Erscheinung mitunter ein sehr schmaler gewesen sein.

1836 - 1849


Ab 1836 hatte man die Übertreibung des Oberarm- und Schulterbereichs offenbar satt, man verlangte nach Neuem. Das Ziel war nun eine schmale, nach unten gezogene Schulterpartie. Man begann den überschüssigen Stoff des oberen Ärmels zu fälteln und ihn so zusammen zu fassen. Im Bereich des Ellenbogens und Unterarms weiteten sich die Ärmel, um am Handgelenk schließlich wieder eng anzuliegen. Oder man arbeitete Ärmel mit Puffen an verschiedenen Stellen. Oder schlichte Ärmel mit einem dekorativen Überärmel am Oberarm...

Es gab verschiedenste Varianten von Ärmelformen, alle mit dem Zweck, dem Oberkörper eine schmalere, grazilere Form zu geben. Hierzu trug auch bei, dass dem Oberteil Elemente hinzugefügt wurden, die eine optische Verlängerung des Oberkörpers bewirkten, wie zum Beispiel ein spitz zulaufender Abschluss des Oberteils an der Taille oder schräg verlaufende Raffungen am Vorderteil. Diese waren vor allem gegen Ende der Epoche sehr beliebt. Zu diesem Zeitpunkt war im übrigen bereits eine einfache, schlichte Form als eindeutiger Gewinner der verschiedenen Ärmelvarianten hervorgegangen.

Das Wachstum der Röcke hielt indes unvermindert an, eine Kuppelform war das Ideal, die schmale Taille wurde betont. Die langen Röcke wurden sowohl schlicht als auch durch Volants oder Rüschenborten garniert getragen. Bei bedruckten Baumwollstoffen genügte oftmals alleine das Muster als Zierde. Da diese Baumwollstoffe in verschiedenen Qualitäten für jeden Geldbeutel angeboten wurden, erfreuten diese sich in allen Schichten großer Beliebtheit.

In der Hutmode hatten sich im Lauf der Jahre schließlich Krempe und Krone vereint und in den 1840ern eine Schute entstehen lassen, die den Kopf der Trägerin umschloss und die modern gewordenen seitlichen Löckchen oder aufgerollten Zöpfe der Trägerinnen schön zur Geltung kommen ließen.