Rokoko

Im 18. Jahrhundert war ein letztes Mal die höfische Mode tonangebend, auch hier war der französische Hof führend, bevor gegen Ende des Rokokos durch einen Wertewandel in der Gesellschaft die bürgerliche Mode an Einfluß gewann und später die Richtlinien vorgab. Aber bis dahin zeigte sich in der verspielten, mit Bändern, Blumen, Schleifen und Stickereien geschmückten Kleidung die Lust am persönlichen Vergnügen, der Extravaganz und der Koketterie der damaligen Zeit.
 
Die Silhouette der Damenmode wurde im 18. Jahrhundert durch die Schnürbrust und den Reifrock geprägt. Die Schnürbrust formte den Oberkörper, wie in der Vergangenheit auch, zu einem auf den Kopf gestellten Kegel, jedoch wurden die Brüste nicht mehr flach gedrückt, sondern nach oben geschoben und so sichtbar in den tief ausgeschnittenen Kleidern in Szene gesetzt. War der Reifrock ganz zu Beginn des Rokokos noch kegelförmig, so erhielt er doch relativ schnell seine ovale, zu den Seiten ausladende Form, die für das 18. Jahrhundert so typisch war. Mit Aufkommen der Englischen Mode wurde dann verstärkt auf unterschiedliche Gesäßpolster zurückgegriffen, die den Röcken zu ihrer gewünschten Optik verhalfen. Der Unterrock galt als Symbol der Weiblichkeit und wurde, wie auch der Reifrock, in das galante Spiel der Liebe einbezogen. Entsprechend aufwändig durfte er geschmückt sein, da man ihn gerne absichtlich hervorblitzen ließ.

Jean François de Troy, Public domain, via Wikimedia Commons

Nach der höfischen, steifen Mode des Spätbarock verlangte man nun nach etwas mehr Bequemlichkeit. So entwickelte sich aus dem Negligé des Spätbarock die Robe volante mit ihrem lockeren, weiten Schnitt und den frei herabfließenden Falten. Allerdings wurden unter diesem Kleid Schnürbrust und Reifrock getragen, so daß die Bequemlichkeit eher ein optischer Eindruck war. Die Robe volante bezeichnet man u. a. auch als Adrienne, Contouche oder Schlender.

Relativ schnell war es aber mit der "Bequemlichkeit" vorbei: Aus der Robe volante entwickelte sich die Robe à la francaise, die über die gesamte Zeit des Rokokos die offizielle Hofkleidung war. Die Robe à  la francaise  bestand aus drei Grundteilen: dem Manteau (einem mantelartigen Überkleid), der Jupe (dem Rock) und dem Pièse d´estomac (dem Stecker).  Das Oberteil des Manteaus lag wieder eng an, im Rücken jedoch durfte der Stoff weiterhin in breiten Falten bis zum Saum hinabfallen. Der Maler Jean-Antoine Watteau hielt diese Gewänder auf seinen Gemälden fest und später wurden die Rückenfalten nach ihm "Watteau-Falten" genannt. In der vorderen Mitte wurde der Stecker mit Nadeln in dem Kleid festgesteckt, um es zu verschließen. Da der Rock des Manteau vorne geöffnet war, wurde die Jupe sichtbar. Stecker, Jupe und die Vorderseite des Manteau boten genug Platz, um sie mit üppigen Dekorationen wie Rüschen, Schleifen, Bändern, Borten usw. zu versehen. Die halblangen Ärmel waren am Saum mit Rüschen besetzt. 
 
François Boucher, Public domain, via Wikimedia Commons
 
Während die Mode bei Hofe ab der Mitte des 18. Jahrhunderts immer ausladendere Formen annahm, entdeckte der Adel die bürgerliche Mode für sich. Man sehnte sich nach einer bequemeren Alternative, die man bei den in Mode gekommenden Vergnügungen wie dem Spazierengehen und dem Aufenthalt im Freien tragen konnte, ohne durch die Kleidung behindert zu werden. Der englische Lebensstil wurde zum Vorbild. So entstanden mehrere Modeströmungen parallel. Aus der bürgerlichen Kleidung übernahmen die adeligen Damen gerne die einfachen Röcke und kurzen Jäckchen (Caraco) in verschiedensten Formen und Ausführungen. Vom Manteau wurde zum Spazierengehen nach dem Vorbild der arbeitenden Bevölkerung der Saum durch die Tascheneingriffe gezogen und so der Rock des Manteaus nach oben gerafft. So entstand die Robe retroussé dans les poches, aus der sich dann die Robe à la polonaise entwickelte.  
 
Jean-Étienne Liotard, Public domain, via Wikimedia Commons

Die Robe à la polonaise  kam in den 1770ern in Mode. Der Rücken des Manteau lag, anders als bei der Robe à la francaise, eng am Rücken an und der Rock wurde mit Hilfe von Kordeln und Bändern über dem Gesäß nach oben gerafft und in drei Puffe unterteilt. Bauschte sich der Stoff nicht genug, half man mit Polstern nach. Angeblich erhielt die Robe à la polonaise ihren Namen nach der Teilung Polens im Jahre 1772 in drei Königreiche.

Außerdem erfreute sich ab den 1770ern die sogenannte Robe à l´anglaise großer Beliebtheit. Auch hier verzichtete man auf den seitlich ausladenden Unterbau und begnügte sich mit Polstern auf den Hüften. Von den Watteau-Falten der Robe à la francaise  sind hier nur noch kümmerliche Reste verlieben, die in sehr schmalen Falten im Rücken vom Ausschnitt bis zur Taille festgepunktet wurden. Dadurch erhält der Rücken seine natürliche Linie zurück. Diese schmalen Falten springen anfangs im Rock des Manteau wieder auf, später wurde der Rock auch separat gearbeitet und danach an das Oberteil gesetzt. In der Regel wurden diese Kleider in der vorderen Mitte mit Haken und Ösen geschlossen, der Stecker war überflüssig geworden. Da man jedoch Kleider auch nach der neusten Mode umarbeitete, gibt es auch erhaltene Modelle mit Stecker.  

Thomas Gainsborough, Public domain, via Wikimedia Commons
                                    
Eine weitere Kleiderform, die auch von Marie-Antoinette getragen wurde, ging als Chemise à la reine  in die Modegeschichte ein. Dieses einfache weiße Musselin-Kleid kann als Übergangsform zu den späteren Kleidern der Empirezeit gelten. Im Jahre 1738 mit den Ausgrabungen der römischen Ruinen im Herculaneum begann man sich bereits für die römische und griechische Antike zu interessieren, und die Chemise à la reine greift dieses Thema in der Mode auf.
 
Élisabeth Louise Vigée Le Brun, Public domain, via Wikimedia Commons

Farben und Stoffe

Im 18. Jahrhundert gewannen leichte französische Seidenstoffe in Pastelltönen an Bedeutung. In der erste Hälfte des Jahrhunderts bevorzugte man unifarbene Stoffe, kombinierte aber gerne die Farben bei Jupe und Manteau miteinander. Gemusterte Stoffe gab es aber auch: Hier kamen Ranken und Blumen zum Einsatz. Diese wurde häufig mit den ab den 1770er beliebten Streifenmustern kombiniert. Im Laufe des 18. Jahrhunderts werden auch bedruckte Baumwollstoffe modern. Zudem entwickelte man eine Vorliebe für fernöstliche Exotik. Man kleidete sich gerne in Stoffe aus China und Indien oder mit aus diesen Ländern inspirierten Mustern und auch asymetrische Muster sowie ungewöhnliche Farbkombinationen waren keine Seltenheit.

Frisur und Kopfbedeckungen

Waren die Frisuren zu Beginn noch klein und zierlich, so nahmen sie gegen Mitte des 18. Jahrhunderts immer größere und ausladendere Formen an. Die übersteigerte Hofkleidung mit ihren immer breiter werdenden Röcken verlangte nach einem Gegengewicht auf dem Kopf und so wurden ganze Landschaften, Schiffe, Obstkörbe und ähnliches kreiiert, um der modebewußten Dame zu einem standesgemäßen Auftreten bei Hofe zu verhelfen. Aber auch zu nicht höfischen Anlässen wurden die Frisuren voluminöser und bildeten so das Gegenstück zu den gesäßbetonten Röcken der Robe à la polonaise und der Robe à l´anglaise. Auch der Kopfputz änderte sich mit der Zeit. Zur Robe volante oder Robe à la francaise waren kleine Spitzenhäubchen unterschiedlichster Art beliebt, die sich aus der Fontange des Spätbarock entwickelt hatten. Ab den 30er Jahren wurden auch die Hauben größer. Man trug sie daheim und auf der Straße. Da nicht zwingend ein Hut außer Hause nötig war, war die Hutmode relativ übersichtlich. Beliebt war ein flacher Strohhut, der Bergère, der über der Haube getragen wurde. Zum männlich angehauchten Reitkostüm durfte ein kleiner Dreispitz die Frisur krönen. Ansonsten trug man Kapuzen, die entweder ein eigenes Kleidungstück waren, oder man legte sich Kapuzenumhänge um die Schultern. 

Accessoires

Um ihre Garderobe zu vervollständigen bediente sich die Dame verschiedener Accessoires. Über Schultern und Ausschnitt trug man Fichus unterschiedlicher Art, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nahmen diese an Größe zu und konnten auf dem Rücken geknotet werden. Mit ihnen gestaltete man ebenso eine voluminöse Büste. Zarte Schürzen wurden auch von der adeligen Dame nicht verschmäht. Sie waren gerne bestickt und  aus duftigen Stoffen gefertigt. Der den Unterarm bedeckende Handschuhe war meist fingerlos mit separiertem Daumen und endeten in einer Spitze auf dem Handrücken. Ein Muff schützte vor Kälte. Der Fächer war ein unentbehrlicher Luxusgegenstand geworden. Jetzt setzte sich der Faltfächer durch, er wurde bemalt und/ oder mit Spitze verziert und stand ganz im Dienste der weiblichen Koketterie. Man schmückte sich mit Vorliebe mit Blumen und Schleifen, die wie schon im 17. Jahrhundert eine eigene Sprache sprachen. Jede Schleife hatte eine besondere Bedeutung. Zarte Kropfbänder aus Spitze und Schleifenband schmückten die Hälse und wenn man von Blumen und Schleifen abwich, griff man meist zu Perlen. Aus ihnen wurden Ringe, ein- oder mehrreihige Halsketten und Ohrringe gefertigt. Armbänder dagegen begegnen einem beim Betrachten der Bilder seltener.  Im 18. Jahrhundert schenkte man dem Strumpf mehr Aufmerksamkeit. Es gab auch schon farbige Exemplare. Kostbare Stümpfe waren aus Seide gefertigt konnten mit Gold und Silber bestickt sein. Strumpfbänder sorgten für den richtigen Halt. Hier konnte man ebenfalls sehr kreativ bei der Gestaltung werden. Die Schuhe waren zierlicher als im Barock gestaltet, da ein kleiner, grazieler Fuß als schön galt. Sie wurden überwiegend aus Seiden- und Leinenstoffen gefertigt. 
 

Schönheit und Make-up

Mit Hilfe von Puder, Schminke und Schönheitspflästerchen wurden Gesicht und Frisur zu ganz eigenen Kunstwerken. Man schminkte sich auffällig und unnatürlich, um sich von dem horizontalen Gewerbe  abzuheben und nicht als unfein zu gelten. Schön galt eine blasse Haut, die einen möglichst durchscheinenden Eindruck machen sollte. Angeblich zog man zu diesem Zwecke auch die Adern leicht bläulich nach. Als Kontrast wurden die Wangen mit Rouge überhöht. Die Haare wurden grauweiß gepudert. Um dem Gesamtkunstwerk noch das I-Tüpfelchen aufzusetzen, übernahm man aus dem 17. Jahrhundert die sogenannten Schönheitspflästerchen, die Mouches. Sie wurden aus Seide hergestellt und besaßen die unterschiedlichsten Formen, von Sonne, Mond und Sternen über Herzen und Amoretten. Wie auch die Schleifen an der Kleidung sprachen die Mouches die "langue d´amour", und jede Form und Platzierung hatte ihre eigene Bedeutung.