Krinolinenmode

Erstmals lassen wir mit der Krinoline ein Kleidungsstück Namensgeber einer Modeepoche werden. Dieser besondere Unterrock und seine weiterentwickelten Nachfolger prägen die Zeit zwischen 1850 bis über die Hälfte der 1860er Jahre.

Dabei beginnt die Geschichte der Krinoline eigentlich lange vor 1850. Bereits in der Vorgängerepoche, dem Biedermeier, konnte man den allmählichen Zuwachs des Rockumfangs beobachten. Ihr Volumen erhielten die Kleider durch diverse Unterröcke, welche auf unterschiedliche Arten versteift sein konnten. Eine gängige Art war hierbei die Verarbeitung von Rosshaargewebe. Diese verliehen den Unterröcken eine Steifheit, die es dem Kleidungsstück ermöglichte, Volumen zu erzeugen und gleichzeitg das Gewicht der vielen Röcke zu tragen. Von eben diesem Rosshaargewebe, "Crin" genannt, kommt also der Name für den besonderen Unterrock - Krinoline - welcher auch an die Nachfolger weitergegeben wurde, die mit der Ursprungsform jedoch nur doch den Zweck gemeinsam hatten, nämlich den Damenröcken Stand und Fülle zu verleihen.


1850 - vom Reifrock keine Spur


Der Wunsch nach noch mehr Weite im Rock war 1850 ungebrochen. Jedoch waren die Möglichkeiten der Erweiterung, der Bildung von noch mehr Fülle durch Unmengen an getragenen Unterröcken bereits ausgereizt. So wandte man die Aufmerksamkeit dem Oberteil zu. Eine Neuheit war es, das Oberteil getrennt vom Kleid zu tragen. So war es zum Beispiel möglich, mit dem selben Rock sowohl eine Variante mit langärmligem und hochgeschlossenem Oberteil für tagsüber und eine zweite ausgeschnittene Abendvariante mit Kurzarm zu tragen. Die Röcke konnten zu verschiedenen Jäckchen mit (zunächst) imitierten Westen kombiniert werden und wurden später auch mit Blusen getragen. Diese neuen Jacken-Varianten waren durchaus nicht unumstritten, waren diese dem Grunde nach eine deutliche Anlehnung an die Herrenmode und galten daher zunächst als nicht sonderlich weiblich. Diese Kleiderform - ein Ensemble aus Jacken und Röcken - wird sich langfristig gegenüber der bis dahin gängigen Kleiderform durchsetzen. Gleichwohl wurde Letztgenannte weiter getragen und führte den Trend der 1840er Jahre fort, nach dem die Verzierungen der Front in der Tagesmode so angeordnet waren, dass sie ein V bildeten und in der Taille zusammentrafen. In der Abendmode setzte man auf die Betonung des Dekolletés durch die Berthe, einer zusätzlichen Ausschmückung des Ausschnitts.

Nach einer kurzen Phase mit eher schlichten Ärmeln wurden diese nun wieder auffälliger gestaltet. Gerne getragen wurden zum Beispiel die sogenannten Pagodenärmel, die sich nach unten weiteten und unter deren weiten Öffnungen seperate Ärmel aus feinen Stoffen hervorlugten. Doch gab es noch viele weitere Arten, einen Ärmel zu gestalten und auszuschmücken, wie überhaupt alles dekoriert wurde: Die Röcke durch Volants, die Taillen durch Fransenborten und sonstige Garnituren, Krägen und Manschetten durch Stickereien und Spitzen. Die Kleidung wurde ausgeschmückt mit allem, was der Nähkorb her gab. Selbst ein ansonsten einfach gehaltenes Oberteil konnte durch bestickte und/oder mit Spitzen versehene Tücher aufgewertet werden. Beim Betrachten so mancher Modekupfer weiß das Auge kaum, wohin es zuerst blicken soll. Es scheint, als kompensierte man das stagnierende Rockwachstum durch hemmungsloses Ausschmücken sämtlicher Kleidungsteile. Aus nachvollziehbarem Grund wird diese Zeit in der Mode auch oft das 2. Rokoko genannt.

In der Hutmode zog sich die (natürlich ebenfalls verzierte) Schute zunächst seitlich bis ungefähr Ohrenhöhe zurück und zeigte somit das Gesicht der Trägerin. Gegen Mitte des Jahrzehnts hat es den Anschein, als liege sie zurückgekippt im Nacken der Trägerin. Ab 1855 betritt ein ganz neuer Kandidat die Bühne: Der Strohhut, der im Sommer mit seiner breiten Krempe das Gesicht hervorragend vor zu viel Sonne schützte.   

1856 - Die neue Krinoline erobert die Modewelt


Man muss es als Erleichterung betrachten, dass 1856 für die Röcke eine Unterkonstruktion aus vertikal miteinander verbundenen Stahlreifen mit unterschiedlichem Durchmesser erfunden wurde und höchste Aufmerksamkeit erlangte: Die Krinoline. Ein Reifrock mit der Optik eines Käfigs, der ob seiner stützenden Eigenschaften einfach den Namen des überholten Vorgängermodells übernahm.


Und eine Erleichterung war dieser Reifrock im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die vielen Unterröcke, die die Mode verlangte, brachten nicht nur die gewünschte Fülle, sondern auch jede Menge Gewicht mit sich. Mit dieser neuen Krinoline konnten die Unterröcke in ihrer Zahl deutlich reduziert werden.

Es hat den Eindruck, als sorge das Erscheinen der Krinoline dafür, dass man insgesamt wieder eine schlichtere Erscheinung bevorzugte. Und tatsächlich - die Dame wusste die neue Beinfreiheit sehr zu schätzen. Dem neu entstandenen Bewegungsdrang standen üppige Verzierungen und Volants im Weg. Sie waren schlichtweg unpraktisch und wurden daher, zumindest in der Tageskleidung, zusehends reduziert. Mit den Jahren entstand nebenbei eine relativ sportliche Variante der Kleidung, die gänzlich fußfrei blieb und gerne zum Spazieren oder Reisen getragen wurde. Und vielleicht auch einfach von den Frauen, die einem einfachen Promenieren zum Zwecke des Gesehenwerdens - zu dem man sich ordentlich herausputze - nichts abgewinnen konnten und eher praktische Kleidung bevorzugten.

Weitere Meilensteine der Modegeschichte waren übrigens auch die Entwicklung chemischer Farbstoffe um 1856 und die Inbetriebnahme der ersten Industrienähmaschinen in der zweiten Hälfte der 1850er Jahre. Doch zurück zur Krinoline: Fortan war der Fokus der Mode auf dieser neuen Erungenschaft, denn sie ermöglichte - endlich! - dass sich der Rockumfang noch weiter ausdehnen ließ. Die Silhouette war inzwischen eher fächerförmig. Um 1859/1860 hatte die Krinoline in ihrer kreisrunden Grundorm das Maximum ihres Umfangs erreicht, dies konnten bis zu 6 Meter und mehr sein, zwischenzeitlich ein Fest für alle Spötter und Karikaturisten. Und in der Tat war diese Größe nicht nur unpraktisch, sondern auch gefährlich geworden. Nicht wenige Frauen verstarben, nachdem ihre Röcke Feuer gefangen hatten. Durch die luftige Krinoline brannten sie schnell lichterloh.

Bildquelle:  The New York Public Library*


1860 - 1868


Anfang der 1860er Jahre waren große Pagodenärmel (meist als sparate Ansteckärmel) noch ein Blickfang. Gerne wurden auch Blusen in Kombination mit Jäckchen getragen, wobei die Taille zeitweise durch einen breiten, vorne spitz zulaufenden Gürtel betont wurde. Wenige Jahre später waren meist wieder engere Ärmel gefragt. In rascher Abfolge und auch überschneidend waren einige Transformationen in der Silhouette zu beobachten. Die vormals runde Grundform der Krinoline wurde elliptisch. Nur wenige Jahre nachdem die Krinoline als Neuheit gefeiert wurde, waren nun wirklich alle Möglichkeiten beim Rockumfang ausgereizt, ihr Zenit war überschritten. Man ging dazu über die Röcke in Bahnen zuzuschneiden, wobei man zunächst eine möglichst flache Front erreichen wollte. Schnell reduzierte man auch den Stoff an den Hüften und den Umfang der Krinoline insgesamt, so dass von vorne gesehen eine A-Linie erzielt wurde. Da man das Augenmerk nun generell eher auf die hinteren Partien des Rockes richtete, war eine Schleppe die im modischen Sinne plausible Ergänzung der Kleider.

Strohhüte waren weiter beliebt, doch die Schute war als Kopfschmuck ab 1860 großteils überholt. Sie schrumpfte in ihrer Größe zusammen, bis letztlich nur eine Kappe, eine breite, verzierte und nach hinten mit Rüschen besetzte Unterlage übrig blieb. Modern waren auch Toques, kleine Hütchen ohne Krempe, auf dem Vorderkopf sitzend getragen.


Ab Mitte des Jahrzehnts fanden sich an den Oberteilen Schößchen und höhere Taillen. Geraffte Überkleider waren ebenso Neuheiten. Sie ließen den Blick frei auf den darunter getragenen Rock und bildeten ein optisches Ensemble mit diesem. Manchmal wurden auch die Röcke so garniert, dass sie den Anschein eines Überrocks erweckten. Überhaupt kam der Verzierung der Kleidung wieder mehr Aufmerksamkeit zu. Die Stoffmenge im hinteren Bereich blieb weiter erhalten und wurde anfangs dezent, später aufwändiger betont. Dieser Trend bereitete ab 1868 mit immer stärker aufkommenden Raffungen den fließenden Übergang zur Tournürenmode.



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*The Miriam and Ira D. Wallach Division of Art, Prints and Photographs: Picture Collection, The New York Public Library. (1903 - 1904). Blacksmith Fixing A Woman'S Hoop Skirt While She Is Still Wearing It. Retrieved from http://digitalcollections.nypl.org/items/510d47e0-fc9b-a3d9-e040-e00a18064a99