Wie jeder weiß, ist Halloween - die Nacht vom 31. Oktober auf den 01. November - bzw. Samhain ein Fest der Kelten. In dieser Nacht sollen die Toten sich unter den Lebenden aufhalten können. Allerdings ist es ja bekanntlich so eine Sache mit Sachen, die jeder weiß. Selten sind sie wahr.
Dieser Beitrag erscheint erst nach Halloween und dürfte somit niemandem das Fest verderben, der es gerne feiert. Denn wer sich etwas genauer mit dem Thema befasst, wird schnell feststellen, dass viele der Bräuche und Mythen, die sich um Halloween ranken, nicht wirklich alt sind und schon gar nicht keltisch.
Im Zuge der irischen Renaissance und der Keltomanie wurde häufig behauptet, das Fest feiere man im Grunde ununterbrochen seit der Zeit der Kelten. Eine Behauptung, die heute von der Wissenschaft nicht mehr vertreten wird. Trotzdem hält sie sich hartnäckig weiter (ein Problem, das wir auch zur Genüge in unserem Hobby kennen).
1. Am Ausgangspunkt: die Kelten
Wenn man sich mit den Kelten beschäftigt, wird man sehr schnell auf verschiedene Probleme stoßen. Erstens gab es im Grunde nie ein Volk der Kelten. Keltoi ist der Begriff, den vermutlich zuerst die Griechen (z.B. Herodot) verwendeten, um verschiedene Volksstämme im Gebiet zwischen Ursprung der Donau bis Marseille zusammen zu fassen. Dann haben spätere griechische und römische Schriftsteller den Stempel „Keltoi“ im Grunde jedem Stamm aufgedrückt, den sie als zu dieser Gruppe gehörig angesehen haben (2).
Bis zum heutigen Tag ist man sich im Grunde nicht abschließend einig, wer jetzt eigentlich wirklich alles als Kelte angesehen werden kann. Einige nehmen eine gemeinsame Sprache als Grundlage dafür an, wer Kelte war. Wieder andere fassen alle Stämme mit einer ähnlichen materiellen Kultur unter diesen Begriff, für die Nächsten sind gleiche oder ähnliche Bräuche und Glaubensvorstellungen der entscheidende Maßstab.
Als gesichert gilt aber auf jeden Fall, dass es sich nicht um ein Volk im eigentlichen Sinne gehandelt hat, sondern um verschiedene Gruppen bzw. Stämme, die sich aufgrund kultureller Ähnlichkeiten als verwandt angesehenen haben dürften bzw. von anderen so wahrgenommen wurden.
2. Fehlen von Schriftquellen
Das nächste, deutlich größere Problem, wenn man versucht eine Aussage über Sitten und Bräuche zu treffen, ist der Mangel an Schriftquellen. Die keltischen Völker legten offenbar großen Wert auf die mündliche Weitergabe von Wissen. Und scheinbar vermieden sie bewußt, Informationen über ihre Religion, ihre Gesellschaft und ihre Traditionen schriftlich festzuhalten (3).
Heute sprechen hauptsächlich die Funde der Archäologen für sie. Die schriftlichen Quellen der Griechen und Römer sind aus heutiger Sicht mit Vorsicht zu genießen (3).
Führt man sich das alles vor Augen und behält im Gedächtnis, dass kein Land in Europa früher christianisiert wurde als Irland, ist es eher unwahrscheinlich, dass sich ausgerechnet hier über solch einen langen Zeitraum echte keltische Bräuche erhalten haben sollen.
3. Die Keltomanie
Und hier treffen wir dann auf die weiter oben schon erwähnte Keltomanie (5). Sie nahm im 16. Jahrhundert ihren Anfang und erreichte um das 18. und 19. Jahrhundert herum ihren Höhepunkt. Symptome davon kennen wir noch heute: James Macphersons „Ossian“, die Tradition der Tartans und Plaids, sowie nicht zuletzt Feste wie die Highland Games und Halloween/Samhain.
Über das Fest Allerheiligen lassen sich natürlich viele Zeugnisse aus der christlichen Geschichtsschreibung finden. Über dieses Fest kann auch der für Halloween übliche Bezug zur Welt der Verstorbenen hergestellt werden. Allerdings stammt die Tradition von Allerheiligen aus Italien und wurde dort im 8. Jahrhundert eingeführt. Wurzeln in einer keltischen Tradition sind also eher unwahrscheinlich.
Und nehmen wir das Fest Samhain als Ausgangspunkt stoßen wir erneut auf das Problem mit dem Fehlen früher, schriftlicher Quellen aus der Feder der keltischen Völker selbst. Das früheste schriftliche Zeugnis stammt aus dem 10. Jahrhundert, niedergeschrieben von christlichen Mönchen.
4. Das Fazit
Egal wie man es dreht und wendet, ein urkeltisches Fest war Halloween wohl nie. Vielleicht findet sich in der Tradition von Samhain noch ein Fünkchen eines älteren - vielleicht keltischen - Brauchs, aber sicher auch nicht mehr als das.
Allerdings ist es im Grunde schon wieder beinahe egal. Immerhin hat Halloween auch nicht mehr viel mit Allerheiligen im Sinne der ursprünglichen, christlichen Tradition zu tun. Heute zählt für die meisten - gerade im englischen und amerikanischen Sprachraum - der Spaß am Verkleiden, das Gruseln und das Süßigkeitensammeln.
Ach ja, noch eine Erinnerung zum Schluß: in den 80ern gab es bei uns im Schwäbischen noch vereinzelt den Brauch einen Rübengeist zu schnitzen und in kleinen Gruppen an den Häusern zu klingeln. Hier ging es dann auch um Süßigkeiten oder vielleicht ein bissel Kleingeld. Allerdings wurde sich weder verkleidet, noch wurden Streiche gespielt. Wer allerdings einmal eine Futter- oder Zuckerrübe ausgehöhlt hat, weiß, warum sich der Kürbis gegen sie durchgesetzt hat.
Was bleibt, ist der Versuch des Menschen Licht in eine dunkle Zeit des Jahres zu bringen und so sind vielleicht im Grunde doch alle Feste im Winterhalbjahr irgendwie miteinander verbunden.
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Schriftliche Quellen:
(3) z.B. „Historien“ von Herodot, „De bello gallico“ von Gaius Iulius Caesar, „Germania“ von Tacitus
(5) „Die Kelten“ von Alexander Demandt (zur „Keltomanie“ Kapitel 17 und 18)
Bildquellen:
(1) The Miriam and Ira D. Wallach Division of Art, Prints and Photographs: Picture Collection, The New York Public Library. (1911).Hallowe'en pranks Retrieved from http://digitalcollections.nypl.org/items/510d47e3-4775-a3d9-e040-e00a18064a99
(2) Wikipedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Celts_in_Europe-fr.svg
(4) „Der sterbende Kelte“, Capitoline Museums, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons
(6) Master of Catherine of Cleves, Public domain, via Wikimedia Commons
(7) Petar Milošević, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons
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