05 Oktober 2021

1907 - "Über Unterkleider zu duftigen Toiletten"

Die "Grosse Modenwelt" schreibt 1907 unter der Rubrik "Praktisches für die Hausschneiderei" über das Arbeiten an Unterkleidern. Dieser Bericht gibt einen schönen Einblick auf das zeitgemäße Vorgehen, daher möchte ich gerne auf diesen Text aufmerksam machen. Bitte Unterkleider nicht mit Unterhemden verwechseln.

Über das Arbeiten der Unterkleider zu duftigen Toiletten

"Um eine Toilette luftig und leicht zu erzielen, genügt nicht nur die Wahl duftiger Stoffe, wie crêpe de Chine, Tüll, Spitzen u. dgl., sondern die richtige Herstellung des den Oberstoff stützenden Unterkleides ist dabei von großer Wichtigkeit. Im Allgemeinen wählt man zu den Toiletten aus oben genannten Stoffen das Unterkleid aus Taffet, da dieser den Fall der Stoffe am besten zur Wirkung kommen lässt.

Hierbei sei bemerkt, dass Taffet - und Seide überhaupt - nie geplättet werden darf. Die Hitze des Plätteisens wirkt sehr nachteilig auf die Seide; sie nimmt ihr nicht nur den natürlichen Glanz, sondern auch jeden Fall, und schon manches Mißlingen des Rockfalls ist auf das Verplätten des Taffetunterrockes zurückzuführen. Behandelt man die Nähte vor dem Zusammenfügen sehr vorsichtig - man nähe sie mit nicht zu festem Maschinenstich, um ein Zusammenziehen der Naht zu verhindern - so ist ein Plätten derselben unnötig, es genügt dann nur ein festes Auseinanderfalten mit dem Daumennagel. Wäre trotzdem ein Plätten nötig, so dürfte die Naht nur auf die Kante des Plättbrettes gelegt und nur von der Spitze des Eisens berührt werden.

Über dem Taffetunterkleid bringt man dann, der Mode folgend, für crêpe de Chine-, Spitzen-, Chiffon-, Pailettentüll- u. dgl. Toiletten noch ein Zwischenkleid aus Chiffon an; für Tülltoiletten - je nach Arrangement und Feinheit des Stoffes - ein bis zwei Tüllzwischenkleider. Hierzu benützt man eine billige Qualität, die auch im Handel für diese Unterkleider käuflich ist.

Der Taffetunterrock, welcher die Hüften stets glatt umschließt, wird, wie es die Mode ja schon lange verlangt, ohne jede Einlage gearbeitet. Den Schnitt kann man beliebig je nach der Garnitur des Oberstoffrockes wählen - d.h. bei einem weniger garnierten Rocke gibt man der Grundform einen Serpentinenvolant; für reich garnierte Röcke empfiehlt sich eine glatte Grundform. Beide erhalten am unteren Rande eine fingerdicke Schnur eingefügt und werden mit einem Taffetplisse begrenzt, dem man noch eine 2 bis 3 cm breite, ausgezackte Taffetrüsche aufgarnieren kann.

Den Chiffonzwischenrock schneidet man nach der Form des Taffetrockes, und zwar legt man den zusammengenähten Rock, ehe er in das Bündchen gefasst wird, auf den ausgebreiteten Chiffon - der Chiffonrock erhält somit in der vorderen Mitte eine Naht - schneidet diesen nach der aufliegenden Rockform und gibt dabei in der Weite oben nur wenig und nach unten soviel zu, daß er leicht faltig über den Taffetrock fällt. Oben eingekräußt wird er mit dem Taffetrock zusammen in ein Bündchen gefaßt und unten je nach Material und Arrangement der Toilette mit Plissee und Rüsche oder zwei kleinen Vollants mit Spitzenabschluss garniert. Am Garnituransatz und hinteren Schluß wird er dann hie und da mit losen Stichen dem Taffetrock angeheftet. Siehe Abbildung Nr. 2. Wählt man doppelte Tüllzwischenröcke, so wird man den unteren in der Weite des Taffetrockes und nur den oberen etwas weiter schneiden; ebenso erhält der untere eine einfachere, der obere eine reichere Garnitur.

 

Der anschließenden Taffetfuttertaille gibt man, um bei festem Sitz ein Platzen der Nähte zu vermeiden, ein dünnes Batistfutter, doch nur in Miederhöhe; eine durchweg unterfütterte Taffettaille würde nur unnötig schwer sein. Beim Ausarbeiten der Taille sind nach der Außenseite durchgreifende Stiche zu vermeiden, da diese bei den dünnen Oberstoffen sichtbar bleiben. Ausgeschnittene Taillen erhalten am Ausschnittrande einen Seidenpaspel, durch den ein Bändchen oder eine Seidenschnur zum Zusammenziehen geleitet wird, um dadurch dem Ausschnitt einen sicheren Sitz zu geben. Für blusig gearbeitete Taillen mit hohem Gürtel erlaubt die heutige Mode ein fischbeinloses Futter in Blusenform, das nur bis zum Taillenabschluss reicht und hier eingekräußt in den Gürtel tritt, siehe Abbildung Nr. 1.

 Vor dem Aufarbeiten des Oberstoffes überzieht man die Futtertaille leicht faltig oder je nach dem Arrangement leicht blusig mit dem "Zwischen"chiffon oder - tüll. Bei Tülltoiletten wird man außerdem dem Oberstoff, je nach Feinheit des Gewebes noch eine glatte Unterlage geben. Eine bestimmte Regel lässt sich hier jedoch nicht aufstellen; es sprechen in erster Linie die richtige Erkenntnis des Schönen, das Arrangement des Materials und nicht zum wenigsten die Figur der Trägerin mit. Zwischen - und Oberstoff reichen natürlich nur bis zum Gürtelansatz, da sie unter dem Gürtel die Taille nur unnötig verstärken würden. 

Der ungefütterte Taffetärmel erhält, je nach Arrangement und Material eine leicht völlige Überlage, einen Zwischenbausch oder auch beides zusammen. Empire- und Reformtoiletten aus duftigen Geweben erhalten ebenfalls Zwischenkleider aus Chiffon oder Tüll. Bezüglich Schnitt und Garnitur gilt das oben erwähnte auch hier - noch sei bemerkt, dass das Zwischenkleid nie glatt über das Unterkleid fallen darf und stets an der selben Stelle wie auch der Oberstoff ansetzen muß."

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