25 Mai 2022

Hohn und Spott

In jeder Mode entwickeln sich bestimmte Merkmale, welche im Laufe der Zeit eine übertriebene Betonung erreichen um dann den Höhepunkt zu überschreiten und einer anderen Marotte Platz zu machen. Eben diese Übertreibungen sind es, die uns Jahre, Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte später noch in Erinnerung sind und oftmals stellvertretend für eine ganze Aera stehen. Nicht selten stand die jeweilige Mode an ihrem Höhepunkt an der Schwelle zur Lächerlichkeit oder hatte diese bereits überschritten. Extraordinäre Frisuren, Hutmoden, Ärmelkreationen oder diverse Unterbauten von Röcken boten den Zeitgenossen reichlich Gelegenheit, sich lustig zu machen! 

Aber genau genommen konnte man es wohl zu keinem Zeitpunkt jedermann recht machen - mal war die Kleidung zu weit, dann zu eng, die Hüte zu klein, dann zu groß, die Schleppen zu lang, der Ausschnitt zu tief... es gab vermutlich keine modische Extravaganz, die nicht irgendwann den Weg zum Karikaturisten gefunden hat. Zwischen Eleganz und Albernheit lag mitunter nur ein schmaler Grat und so sorgten die Übertreibungen gerne für Hohn und Spott. Und sind wir bei aller Liebe zur historischen Mode ehrlich: Irgendwie steckt ja immer ein Körnchen Wahrheit in den Karikaturen, oder?

Isaac Cruikshank, Public domain, via Wikimedia Commons
 

Gleich bei der ersten herrlich ironischen Karikatur werden die leichten Musselinkleider des Empire aufs Korn genommen. Gerade auf konservative und ältere Zeitgenossen muss die Mode um 1800 erschreckend freizügig gewirkt haben. Und man kann auch aus heutiger Sicht gut nachvollziehen, dass die feinen Kleidchen im Winter nicht gerade wärmend waren.

 

14 Jahre zuvor, um 1786, zogen die immer größer werdenen Damenhüte missbilligende Blicke auf sich. Die Damen waren zu jener Zeit eben nicht zimperlich, wenn es um üppige Kopfbedeckungen ging:

 The Miriam and Ira D. Wallach Division of Art, Prints and Photographs: Picture Collection, The New York Public Library. (1906). Englische Karikatur von Thomas Rowlandson auf die Mode der großen Damenhüte, 1786 Retrieved from https://digitalcollections.nypl.org/items/510d47e1-2166-a3d9-e040-e00a18064a99

 

Um 1860 waren Windböen sicherlich gefürchtet. Wenn sich so ein ausladendes Kleid und Krinolinen-Unterbau erst einmal in Bewegung setzten, konnte alle möglichen unvorhersehbaren und peinlichen Dinge geschehen... Karikaturen sind ja gerne übertrieben, aber nicht unbedingt völlig aus der Luft gegriffen. 

The Miriam and Ira D. Wallach Division of Art, Prints and Photographs: Picture Collection, The New York Public Library. (1906). Deutsche Modekarikatur auf die Krinoline, um 1860 Retrieved from https://digitalcollections.nypl.org/items/510d47e0-fc5b-a3d9-e040-e00a18064a99

 

Überhaupt boten die Krinolinen natürlich vielfältige Vorlagen um sich lustig zu machen. Diese Mode war sicherlich eine wahre Freude für die zeitgenössischen Karikaturisten. Und wer kann es ihnen verdenken? Noch ein Bild gefällig?

The Miriam and Ira D. Wallach Division of Art, Prints and Photographs: Picture Collection, The New York Public Library. (1858). Crinoline for ever -- no bathing-machine required Retrieved from https://digitalcollections.nypl.org/items/510d47e0-fc66-a3d9-e040-e00a18064a99

 

Unser letztes Beispiel führt uns zurück ins Jahr 1829. Die Hammelkeulenärmel sind in Mode und wachsen weiter an. Was der Karikaturist zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Die Ärmel waren noch nicht zur maximalen Größe angeschwollen, der Höhepunkt war erst gegen Mitte der 1830er Jahre erreicht. Doch bereits Ende der 1820er hatten diese modischen Auswüchse das Potenzial zum Spottbild.

The Miriam and Ira D. Wallach Division of Art, Prints and Photographs: Picture Collection, The New York Public Library. (1895). Inflating the lady, 1829 Retrieved from https://digitalcollections.nypl.org/items/510d47e0-fc82-a3d9-e040-e00a18064a99


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