Im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts entdeckte der französiche Adel das Landleben für sich. Seit der Regierungszeit des extravaganten Sonnenkönigs hatte sich Frankreich nicht nur zum politischen sondern auch modischen Zentrum gemausert. Und wenn sich Frankreichs Adel für das Landidyll begeisterte, fand auch der restliche europäische Adel Gefallen daran.
Freilich schwärmte man nicht wirklich für das harte Leben auf dem Land, sondern für eine fantasievolle Idealvorstellung. Man hatte Sehnsucht nach einem romantisierten, verklärten Idyll. Bald schon wussten die Künstler, was die Menschen der damaligen Zeit ansprach und sie kamen dem Wunsche von Gemälden mit entsprechenden Szenen nur zu gerne nach. Mit der Realität hatten diese Darstellungen nichts zu schaffen.
1750, Francois Boucher, National Galery of Art |
Hier erhält die (in Seide gekleidete) Schäferin unter den Augen eines steinernen Löwen einen Liebesbrief von einer Taube überbracht. Der schleifchengeschmückte Blumenkorb liegt nicht weit und über die ruhende Schafherde hinweg kann der Blick in die Ferne schweifen... Das Leben kann so schön sein!
Gerne deuteten die Darstellungen auch Liebesszenen an und geizen nicht
mit erotischen Anspielungen. Männlein und Weiblein in trauter Einsamkeit. Das Dekolleté so tief, dass der Fantasie
nicht mehr viel Spielraum bleibt, die Füße entblößt...
1768, François Boucher, Public domain, via Wikimedia Commons |
Für eine Recherche der tatsächlich getragenen Kleidung im 18. Jahrhundert sind diese Gemälde nicht geeignet. Es sind Fantasiegebilde. Weder wird hier die Kleidung der Adligen oder des gehobenen Bürgertums gezeigt, noch die Kleidung einfacher Bürgerinnen. Weshalb wir diese Abbildungen hier präsentieren? Ganz einfach: Das Interesse des Adels am Landleben und die damit einhergehenden künstlerischen Darstellungen hatten Einfluss auf die Mode. Das Leben mit der Natur - oder was man sich darunter vorstellte - war ein Idealbild. Und wer konnte schon naturverbundener sein, als eine romantische Schäferin?
Während sich in den vergangenen Zeiten die Bürger immer an der Mode des
Adels orientierten, kehrte sich dies im 18. Jahrhundert erstmals ins
Gegenteil. Kleidungsstücke oder Accessoires, die dem gemeinen Bürger
zuzordnen waren, fanden ihren Weg in die Mode der gehobenen Kreise.
um 1752, Jean-Honoré Fragonard, Public domain, via Wikimedia Commons |
Rechts neben der schönen Schäferin liegen in Reichweite zwei unerlässliche Gegenstände: Um die Schafe ordentlich hüten zu können, bedarf es natürlich eines Schäferstocks und um gegen die Sonne geschützt zu sein, benötigt die junge Dame einen Hut. Letzterer wird nach der Trägerin "Bergère", also "Schäferin" genannt und ist ein Strohhut mit breiter Krempe und niedriger Krone. Schäferstock und Bergère sind auf solchen Darstellungen häufig zu finden und - kein Wunder - entwickelten sich zu modischen Accessoires:
1764, Thomas Gainsborough, Public domain, via Wikimedia Commons |
Ob Schäferin oder nicht: Eine Bergére wurde im Lauf der Zeit von allen Damen und sonstigen Frauenzimmern getragen.
1779, Museum of Fine Arts, Boston |
Zwar hütete man als Dame keine Schafe, doch der Stock tat auch beim Spazieren und Promenieren seine Dienste. Wer sich traute, trug die Röcke fußfrei - wie frivol! Die langen Spazierstöcke begleiten als Accessoires viele Modeabbildungen dieser Zeit.
Auch die Schößchenjacke, die Oberbekleidung der Bürgerin, hielt als "Caraco" Einzug in die Garderobe der besser Betuchten. Unter Verwendung edlerer Stoffe versteht sich, denn die Landliebe hat ihre Grenzen. Man möchte ja nicht wirklich wie die gewöhnliche Bürgerin herumlaufen.
ca. 1760, geändert um 1780, via LACMA |
Ich empfehle den Link zum LACMA anzuklicken. Dort können auch weitere Ansichten dieser bezaubernden Kombination bewundert werden. Und dann... nix wie ran an die Mode des Rokoko!
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