15 März 2023

Der Schulterkragen im Barock

Gegen 1630 wird der bis dahin vorherrschende Mühlsteinkragen peu á peu durch einen flachen, auf der Schulter aufliegenden Leinenkragen ersetzt. Dieser hatte sich in der Männermode bereits durchgesetzt und wurde nun von den Damen übernommen um das Dekolleté zu bedecken.

Das feine Leinen wurde gestärkt und - je nachdem, was der Geldbeutel hergab - mit kleineren oder größeren Spitzen besetzt oder gleich ganz aus Spitze gefertigt. Logisch, dass die Hersteller dieser Spitzen im 17. Jahrhundert Hochkonjunktur hatten. Es wurde geklöppelt, was das Zeug hielt, zumal die edlen Gespinste auch - wie bereits erwähnt - die Herrenkragen zierten. Und nicht nur das: In Ergänzung zum Kragen wurden die Ärmelabschlüsse durch große, spitzenverzierte Manschetten geschmückt, die in ihrer Präsenz den Schulterkragen nicht nachstanden. 

Die Kragen selbst hatten eine opulente Größe und ragten sogar über die Schulter hinaus. Schwer zu sagen, wann ein Kragen aufhört ein Kragen zu sein und eher ein Schultertuch ist. Ich vermute, dass der Unterschied vermutlich darin liegt, dass ein Kragen mehr oder minder versteift ist. So weit hergeholt sind diese Überlegungen übrigens nicht, denn aus den weiten Kragen sollte sich später das Fichu, ein das Dekolleté bedeckendes Tuch, entwickeln. In den Folgejahren war man jedoch zunächst damit beschäftigt, den versteiften Kragen weiter in Szene zu setzen.

 

ca. 1632/1635, After Anthony van Dyck, via Wikimedia Commons


ca. 1630 - 1635, Philippe de Champaigne, Public domain, via Wikimedia Commons 


ca. 1640, Frans Hals, Public domain, via Wikimedia Commons

1642, Gerrit van Honthorst (Ausschnitt), The National Gallery

Wir nähern uns der Mitte des Jahrhunderts und die Mode verlangt inzwischen den Anschein einer sehr langen Halspartie, bzw. von hängenden Schultern. Die Schulterlinie der Kleider fällt immer tiefer. Ob mit tiefem Dekolleté und schmalerem Kragen oder ob mit einem Kragen der den Ausschnitt zur Gänze bedeckt: Der Bereich oberhalb der Brust bis hin zum Hals erscheint nun fast kegelförmig. Wobei gerade die geschlossenen und ordentlich versteiften Kragen die Damen sehr förmlich erscheinen lassen und nicht so ganz zu Opulenz und Lebensfreude der Zeit passen mögen. Bestimmt kam es aber auch einfach auf den Anlass und die Gelegenheit an. Jedenfalls existierten die Kragenformen - Ausschnitt bedeckend oder einrahmend - in friedlicher Coexistenz.

Um 1650, Issak Luttichuys, The National Gallery

1649, Bartholomeus van der Helst, Alte Pinakothek München

Nicht verschweigen darf man, dass bereits in den 1640ern damit begonnen wurde, auch gänzlich auf einen Kragen zu verzichten, den Ausschnitt nur noch mit einer zarten Spitze zu schmücken oder das Unterhemd - mit oder ohne Spitze hervorblitzen zu lassen. In diesem Artikel ist jedoch vom Schulterkragen die Rede und dieser bleibt durchaus noch einige Jahre erhalten. Der ganz strenge, versteifte kegelige Kragen war jedoch bis zu den 1660ern schon wieder überholt. Der das Dekolleté bedeckende Kragen erscheint weicher und durchscheinender. Wenn der Ausschnitt verhüllt wurde, dann vorzugsweise mit zarten Geweben. 

ca. 1650, Gonzales Coques, Public domain, via Wikimedia Commons

ca. 1665, Gerard ter Borch (Ausschnitt), Cleveland Museum of Art

 

1654, Justus Sustermans, Public domain, via Wikimedia Commons

Die schmäleren, den Ausschnitt als breite Spitze umrahmenden Kragen schaffen es bis in die 1670er Jahre hinein. Und wieder muss man sich fragen: Wann gilt ein Kragen als ein Kragen? Und wann ist er eine auf das Kleid aufgesetzte Spitze? Das Gleiche gilt für die zarten Stoffe, die leicht bauschig um den Ausschnitt des Kleides drapiert wurden. Sind diese noch im weitesten Sinne als Kragen, gar als Schulterkragen zu sehen oder einfach eine Zierde des Kleides?

ca. 1669, Benjamin Block (Ausschnitt), Public domain, via Wikimedia Commons

 

Jacob Ferdinand Voet, Public domain, via Wikimedia Commons

1670, Abraham Lambertsz van den Tempel, Public domain, via Wikimedia Commons

Schließlich war die Hochzeit des Schulterkragens vorbei. Der Fokus wurde nicht mehr auf die Breite der Körperform gelegt, schlankere Linien wurden bevorzugt und die Ausschnittform der Kleider veränderte sich. Ein breiter Schulterkragen war der neuen Mode nicht mehr dienlich. Nach etwa 40 Jahren Präsenz verschwad dieser schließlich im Lauf der 1660er/1670er Jahre. 

Zum guten Schluss noch die Verlinkung zu einigen Originalen:

1630 - 1640, V&A-Museum

1630 - 1650, V&A Museum 

1645 - 1655, Metmuseum

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