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15 Dezember 2022

Ein Loblied auf das Bügeln

 
Edgar Degas, Public domain, via Wikimedia Commons

 
 
"Gut  gebügelt ist halb genäht." - diesen Spruch habe ich in meiner Lehrzeit häufig genug gehört und ich muß zugeben: es stimmt. Bügelvorgänge helfen und unterstützen einen bereits vor dem Zuschnitt, während des Nähprozesses und natürlich verleihen sie dem fertigen Kleidungsstück eine knitterfreie Optik. 
 
Vor dem Zuschnitt:
Bevor ich mein neues Nähprojekt zuschneide, bereite ich die Stoffe vor. Waschbare Stoffe werden zunächst in der Maschine vogewaschen. Zwar hänge ich sie im Nachhinein möglichst glatt zum Trocknen auf die Leine, aber in der Regel komme ich damit nicht um den Bügelvorgang herum. Ein knitterfreier Stoff läßt sich leichter und ordentlicher zuschneiden, und ein guter Zuschnitt ist die Grundvoraussetzung für die Herstellung eines Kleidungsstückes. 😉
Nicht waschbare Stoffe bügel ich vor dem Zuschnitt mit ordentlich Dampf ab. Hierbei achte ich darauf, dass ich das Eisen über die linke Stoffseite gleiten lasse, um unschönen Bügelglanz zu vermeiden. Bei sehr empfindlichen Stoffen hilft ein Tuch zwischen Stoff und Bügeleisen. Sollte ein Stoff unter Einwirkung von Hitze und Feuchtigkeit zum Einlaufen neigen, so passiert dieses jetzt schon beim Vorbehandeln der Stoffe und man kann sich unangenehme Überraschungen während des Nähens ersparen. 

Vor und während der Anfertigung: 
Möchte ich bei meinem Nähprojekt eine Einlage z. B. zum Versteifen von Kragen und Manschetten verwenden, so ist nun der richtige Moment für die Vorbereitung gekommen. Im Handel sind unterschiedliche Vlies- und Gewebeeinlagen erhältlich, von denen viele mit Hilfe des Bügeleisens auf dem Nähgut fixiert werden können. Dieser Arbeitsschritt empfliehlt sich vor dem Nähen, da man jetzt noch die Gelegenheit hat, die zugeschnittenen Teile glatt auf das Bügelbrett zu legen und knitterfrei zu bekleben. Wenn ich das ganze Schnitteil und nicht nur Bereiche davon bekleben möchte, so lohnt sich dieser Vorgang auch vor dem genauen Zuschnitt, da auch das Aufbringen von Einlagestoffen Stoffe zum Einlaufen bringen kann, wenn die Einlage selbst nicht einlaufsicher ist.
 
Während des Nähens hat das Bügeln viele Vorteile. Man erleichtert sich die Anfertigung, indem man Nähte nach dem Nähen mit dem Bügeleisen glättet. Z. B. wird ein verstürzter Kragen besser gelingen, wenn man die Naht vor dem Wenden des Kragens ausbügelt. Nach dem Wenden legt sich der Kragen gleich schöner und bekommt mit dem Bügeleisen den letzten Schliff. 
Nähte wie Kapp- und Rechts-Links-Nähte lassen sich leichter und ordentlicher nähen, wenn man den Zwischenschritt des Bügelns nach dem ersten Arbeitsschritt nicht scheut. Überhaupt kann man sich das Auftrennen mancher "welliger" Naht ersparen, wenn man sie mit dem Bügeleisen glätten kann. 
Des Weiteren lassen sich Teile eines Kleidungsstückes "in Form" bügeln, man spricht hier auch vom Dressieren. So kann man z. B. einen Rockbund gleich in eine Rundung legen und die untere Kante etwas ausdehnen. Er schmiegt sich dann später am Körper besser an. Hierfür gibt es noch viele Beispiele mehr, sei es nun die Ärmel- oder die Gesäßnaht oder noch andere Bereiche, an denen das Kleidungsstück vorgeformt werden kann. Eine weitere Möglichkeit des Formens mittels dressieren ist das "Einbügeln". Bei diesem Vorgang wird unerwünschte Weite eingehalten und fixiert. Als Beispiel sei hier mal ein Abnäherende genannt, durch das eine unschöne "Tüte" unter dem Abnäher entstanden ist. 
Für die unterschiedlichen  Bügelarbeiten gibt es viele verschiedene Bügelhilfsmittel wie Kanten- und Kragenholz, Bügelunterlagen und "Igel"matten, Bürsten und Kissen unterschiedlichster Größe, die einem die Bügelei erleichtern.
Zu guter Letzt sei hier noch erwähnt, dass es Bereiche gibt, die bei einem fertigen Kleidungsstück mit dem Bügeleisen nicht mehr gut erreichbar sind, ich denke da gerade z B. an die aufgesetzten Dekorationen und Puffe eines Frühbiedermeierkleides. Hier lohnt sich ein Glätten während des Herstellungsprozesses und es lohnt sich ebenfalls darauf zu achten, daß man danach das Nähgut nicht unnötig verknickt. Im Allgemeinen macht man sich das Leben leichter, wenn man darauf achtet, das werdende Kleidungsstück während des Herstellungsprozesses so wenig wie möglich zu zerknautschen und es in Nähpausen auf einem Bügel oder der Puppe aufbewahrt. So kann man sich vom Anfang an viel Bügelarbeit ersparen. 😉  

Das fertige Kleidungsstück:
Wenn man nach vielen Arbeitsstunden endlich sein fertiges Kleidungsstück in Händen hält, so sollte man es abschließend noch einmmal "endbügeln" und damit die letzten Knitter entfernen und ihm den letzten Schliff verleihen. Für mich ist nun der Herstellungsprozess erst richtig abgeschlossen und das Kleidungsstück bereit für die Übergabe an den Kunden oder den eigenen Kleiderschrank. 😊 
 
 
 
Blankes Eisen, heisser Stahl
erspart dir manche Müh´ und Qual.



                                                                          

15 November 2022

Tipp: Kurze Fransen selbst herstellen

Oft ist bei einem Kleidungsstück eine ergänzende Dekoration angebracht. Was tun, wenn man aber weder Zeit noch Lust hat, die Geschäfte zwecks geeigneter Dekoration abzuklappern, nur um dann festzustellen, daß es dort nichts Geeignetes gibt? Dann gilt es aus der Not eine Tugend zu machen und mit dem zu arbeiten, was man zur Verfügung hat - nämlich dem Textil. Eine Möglichkeit ist, aus dem vorhandenen Stoff Fransen herzustellen und schon hat man ein farblich einwandfrei passendes Deko-Element, das dem Kleidungsstück den letzten Schliff gibt. So geschehen bei meiner grünen Pelerine:

Die Herstellung ist denkbar einfach, man benötigt nur etwas Geduld: Den Stoff entlang des Fadenlaufes schneiden und dann die Fäden Reihe für Reihe wegzupfen. Einen nach dem Anderen. Immer wieder. Mit der Zeit entsteht so eine wunderbare Fransenborte, die entsprechend eingesetzt werden kann.

Für mehr Fülle legt man zwei oder drei Reihen von Fransen übereinander. Bei der Pelerine habe ich zwei versetzte Fransenreihen angenäht und diese so etwas gestreckt:


Empfehlen kann man diese Art der Herstellung bis zu einer Länge von etwa 3 Zentimetern. Längere Fransen wirken schwerfällig und können in der Lebendigkeit gegenüber geknüpften Seidenfransen natürlich nicht mithalten. Aber für eine schmale Fransenborte ist diese Methode durchaus geeignet.
 
 

20 November 2020

Über das Zusammensetzen von Spitze

Im Beitrag über die Modeepoche der Belle Époque wurde erwähnt, dass man gelegentlich aus einzelnen Spitzenborten durch Zusammensetzen größere Stücke gebildet hat.

Als es darum ging, einen einfachen Fichu-Kragen zu einem Promenadenkleid um 1880 anzufertigen, habe ich mich daran erinnert. Im Vorrat vorhanden waren zwei Tüllspitzen in verschiedenen Breiten, aber mit ähnlichem Muster. Leider handelt es sich nicht um seidene oder rein baumwollene Spitze. Hier ist nur der Tüll aus Baumwolle, die Stickerei ist Viskose. Haptik und Fall sind aber so ähnlich und das Design passend, dass ich den Kompromiss eingegangen bin.

Aus der breiten Spitze werden zwei Bahnen mit den Kanten aneinander gelegt bzw. ganz leicht überlappt und dann mit kleinen Handstichen zusammengefügt. Bitte nicht verwirren lassen. Aus welchen Gründen auch immer existiert nur noch ein Bild, wie ich zuerst eine breite und eine schmale Spitze zusammen genäht habe. An der Vorgehensweise ändert sich dadurch natürlich nichts.



In dem Bereich, der um den Hals herumführt, muss - wegen der Biegung - eines der Spitzenbänder ganz leicht eingehalten, d.h. gekräuselt werden. Die Stecknadel und ein großer Heftstich markieren die hintere Mitte. Für die Verbindung der Spitzenbänder habe ich einen kleinen Überwendlichstich verwendet, mit dem man gut gleichzeitig verbinden und Weite einhalten kann. Im Bild ist außerdem das nächste Stadium auf dem Weg zum Fichu-Kragen zu sehen: die Spitze wurde auf den weißen Trägerstoff aufgeheftet.



Im Anschluss habe ich diese Naht mit einer feinen Baumwoll-Soutache verdeckt. Auch hier verwendet man am Besten kleine, unsichtbare Handstiche. Im vorliegenden Fall einen kleinen Steppstich.


Und ein Detail des Endergebnisses. Man sieht erst auf den zweiten Blick, dass kein ganzes Stück Spitze verwendet wurde. Von links nach rechts sind es: eine breite Tüllspitze, die Soutache auf der Naht, dann wieder eine breite Spitze. An die Kante dieser zweiten, breiten Spitze wurde eine schmale angesetzt. Die winzigen Handstiche verschwinden in der Bogenkante der breiten Tüllpitze.


01 Oktober 2020

Ein Blick ins Nähkörbchen - oder besser - den Werkzeugkoffer

Als ich mit dem Nähen historischer Kleidung angefangen habe, hätte ich mir nicht träumen lassen, was sich da im Laufe der Zeit an Werkzeug ansammelt. Spaßeshalber deshalb hier ein Überblick von allerlei Ausstattungsgegenständen. Manche mehr, manche weniger oft genutzt.

Und vorausschickend sei gesagt: Bitte nicht erschrecken! Das ist keine Liste von Dingen, die man unbedingt haben muss und zwar sofort, sondern lediglich das, was sich nach sehr vielen Jahren peu à peu in meinem Nähzimmer angesammelt hat. 

Manche Sachen sind natürlich Grundausstattung, wie Nadeln, Stecknadeln, eine Stoffschere, eine kleine Schere, Schneiderkreide und ein Maßband. Diese Ausstattung wird von alleine wachsen; mit jedem Nähprojekt kommt etwas dazu. Manches stellt sich später vielleicht als doch nicht so notwendig heraus, wie zuerst gedacht und manches wird man nie mehr missen wollen.

Beginnen wir aber mit dem in der Überschrift versprochenen Blick ins Nähkörbchen. Und nicht über das Durcheinander wundern. Es gibt bestimmt Menschen, mit einem richtig schön geordneten Nähkästchen. Ich gehöre - wie man sieht - nicht dazu. Das Körbchen stammt von einer meiner Großmütter. (Sie hatte übrigens ein ähnlich durcheinander gewürfeltes Innenleben darin versteckt. Offenbar vererbt sich auch so etwas weiter.)

Deshalb auf dem folgenden Bild zu finden: Nähnadeln in verschiedenen Stärken und Längen; Stecknadeln von fein bis grob; Sicherheitsnadeln auch in verschiedenen Größen. Dazu diverse Schachteln und Döschen zur Aufbewahrung und ein Nadelkissen (schnell als Provisorium aus einem Samtrest genäht und nie wieder ausgetauscht, auch wenn es gerne Nadeln „frisst“). Wer gute Augen hat, findet manche Gegenstände übrigens weiter unten wieder.



Mit das Wichtigste: die Scheren. Das Geld für eine gute Stoffschere aus Metall sollte man schon ausgeben. Sie hält lange, läßt sich gut nachschleifen und erleichtert die Arbeit ungemein. Dazu kommt eine etwas kleinere Schere, ebenfalls aus Metall, die ich für gröbere Materialien, wie Steifleinen oder Sparterie (Material für Hüte) benutze, damit meine gute Schere nicht gleich wieder stumpf wird. Und noch eine schlichte Haushaltsschere, wenn z.B. Schnittmuster ausgeschnitten werden müssen.



Hier noch zwei große Spezialscheren, nice to have, aber kein Muss. Die eine schneidet eine Zackenkante (links), die andere eine Bogenkante (rechts). Erstere wird gerade bei der Herstellung von historischen Kleidungsstücken öfter zum Versäubern einer Stoffkante genutzt. Durch die Zacken fransen die Nahtzugaben nicht so stark aus. Schrägstreifen mit Zickzack zugeschnitten benutzte man sogar recht häufig für Dekorationen. 

Es gibt auch gebogte Kanten, dafür habe ich mir irgendwann die zweite Schere angeschafft, auch wenn sie nicht so oft zum Einsatz kommt. In beiden Fällen müssen unbedingt Scheren verwendet werden, die für Stoffe gedacht sind. Die vielen Scheren im Handel, die für Papier angeboten werden, eignen sich überhaupt nicht und sorgen allenfalls für Frust und eine kaputte Hand. Ja, hier spricht die Erfahrung.


Für manche Sachen geht auch ein Rollschneider. Dazu solltet ihr aber unbedingt eine schnittfeste Unterlage und ein Metall-Lineal haben. Man kann auch Klingen kaufen, mit denen sich z.B. eine wellenförmige oder Zickzack-Kante herstellen lassen. Bögen habe ich bisher noch nicht gesehen.


Für die eher moderneren Sachen - also modern in Relation zur gesamten Kostümgeschichte ;) - kann man sich auch noch eine Lochzange und eine Zange zum Setzen von Ösen oder Druckknöpfen besorgen:


Und hier ein paar Gegenstände, die vielleicht eher verblüffen: Bolzenschneider, Blechschere, Hammer, kleine Zangen und ein Taschenrechner. Wenn man historische Kleidung nacharbeitet, kommt man allerdings irgendwie nicht darum herum.


Wir arbeiten mit Federstahl, Spiralfederstahl, künstlichem Fischbein, Hutdraht usw.. Das richtige Werkzeug erspart einem - wie so oft - Ärger und Kraft. Die kleinen Zangen sind häufig meine besten Freunde, wenn es darum geht bei Hüten die Nadel durch die Stofflagen zu ziehen. Sie stehen stellvertretend für verschiedene Versionen die nicht im Bild sind: Seitenschneider, gebogene Storchenschnabelzange, Rundzange etc..

Und der Taschenrechner? Viele gute Kaufschnitte kommen aus Amerika. Selbst wenn man ein Maßband mit Zentimeter- und Inch-Angaben hat, spätestens bei der Zutatenliste muss man evtl. umrechnen. 

Als hilfreich haben sich irgendwann ein Schneiderwinkel, das beim Rollschneider erwähnte Metall-Lineal (ganz schnöde aus dem Baumarkt) und ein kleines Metall-Handmaß erwiesen. Nicht im Bild sind noch ein paar kleinere Kurven-Lineale und ein kleines Geodreieck aus meiner Schulzeit.



Wie wäre es jetzt mit einem Wimmelbild?


In der oberen Reihe finden sich Meßwerkzeuge. Links ein Abstandshalter aus Metall. Keine Ahnung, wie man das Teil besser benennen könnte. Es läßt sich scherenartig auseinander ziehen. Sehr praktisch, wenn man ein und denselben Abstand mehrmals benötigt, wie z.B. bei Falten, Knöpfen und Knopflöchern. Daneben das Maßband ist selbsterklärend. Es hat eine Zentimeter- und Inch-Angabe. Nicht im Bild ein Taillenmaßband, das man um die Taille legen und mit einem kleinen Haken schließen kann. Rechts davon ein weiteres Handmaß um Säume oder Nahtzugaben anzuzeichnen.

In der unteren Reihe von links nach rechts: Das Schnittmuster- oder Kopierrädchen dürfte jeder kennen. Man rädelt damit Schnittmuster aus und überträgt mithilfe von entsprechendem Kopierpapier auch Markierungen vom Schnittmuster auf den Stoff. Ein fieses Teil übrigens, an dem ich mich laufend steche.

Daneben zwei Stickscheren und eine Knopflochschere. Letztere hat ein Schräubchen, mit dem man die Länge des Knopfloches fest einstellen kann. Außerdem hat die Schneide eine Lücke, damit nicht versehentlich die Stoffkante eingeschnitten wird.

Was daneben so seltsam aussieht ist ein altes Bienenwachs-Teelicht. Ja, ich weiß, es gibt Bienenwachs fürs Nähen, das sogar in schönen Formen angeboten wird. Aber ich hatte das Teelicht schon zuhause und mich stört der Docht kein bisschen. Über das Wachs zieht man den Faden bevor man ihn fürs Handnähen verwendet. Das stärkt den Faden.

Die nächsten fünf Teile rechts davon sind alles Ahlen bzw. Pfrieme in verschiedenen Stärken und aus unterschiedlichen Materialien. Bei der Herstellung von historischen Kleidern werden Löcher seltener in Stoff gestanzt als hineingebohrt. Die Fäden bleiben unbeschädigt und das Stoffstück dadurch stabiler. Gerade bei Schnürkanten sehr wichtig.

Und hier nochmal im Detail der „Kleinkram“ rechts von der großen Ahle:


Oben links eine kleine, antike Nadelkapsel, daneben zwei verschiedene, dicke, stumpfe Nadeln zum Einziehen von Schnur oder Band. Darunter ein antikes Trennmesser und zwei moderne Nahttrenner. Sehr praktisch, auch wenn ihr Einsatz normalerweise von leisem Fluchen begleitet wird.

Die letzten drei Gegenstände erklären sich selbst: ein Bleistift und Schneiderkreide in Form eines Druckbleistiftes. In der kleinen Kapsel sind Ersatzminen. Man bekommt sie in verschiedenen Farben. Die Mine ist erstaunlich stabil und bisher habe ich die klassische Schneiderkreide nicht vermißt.

Außerdem gibt in meinem Nähzimmer das eine oder andere kleine Helferlein, das ich nicht mehr hergeben möchte. Dazu gehört definitiv die magnetische Saumhilfe.

Der Magnet hilft den Abstand der Naht zur Stoffkante einzuhalten. Man kann sich so das mühsame Aufzeichnen der Nahtlinie sparen. Und er ist schnell positioniert; kein umständliches Schrauben, Einstellen o.Ä. notwendig.



Diese Saumhilfe gibt es von verschiedenen Herstellern in leicht abweichenden Designs für kleines Geld.

Und da sie gerade als Kulisse herhalten musste, nochmal im Vollbild: meine alte, gebrauchte Nähmaschine. Vor vielen Jahren zusammen mit Schneiderlein gekauft. Sie kann gradeaus, rückwärts und Zickzack und ist praktisch unkaputtbar. Und dank viel Metall findet mein Nähmagnet beinahe überall Halt, wenn er grade nicht gebraucht wird.


Da hätten wir dann auch noch etwas Selbstgebasteltes: meine Garnrollenhalter. Vielleicht wird das mal ein Basteltip. ;) Die Garnrollen flogen überall herum und für die im Handel erhältlichen Halterungen war einfach kein Platz zwischen Fenster und Regal.




Zurück zu den kleinen Helferlein. Praktisch ist auch der sogenannte Schrägbandformer. Er hilft aus einem Stoffstreifen perfekt gebügeltes Schrägband herzustellen. Es gibt Former in verschiedene Breiten. Häufig sogar im Set. Auch hier kostet die Anschaffung nicht viel Geld und sie werden von verschiedenen Herstellern angeboten.



Und weil Schneiderlein immer so schön sagt: „Gut gebügelt, ist halb genäht“ und es so schön zum Schrägbandformer passt:


Mein altes Bügeleisen dampft nicht mehr, daher der Wassersprüher. Unter dem Bügelbrett sieht man auch das Küchentuch hängen, mit dem ich ab und zu Säume dämpfe, wenn ein Stoff etwas empfindlich ist. Das Ärmelbrett ist mir irgendwann mal zugelaufen.

Und erst kürzlich entdeckt: Kunststoffklammern. Ich hatte sie gekauft, um die Teile eines Lederbeutels beim Nähen zusammen zu halten. Sie haben sich aber danach auch wunderbar bewährt, als ich ein Mittelalterkleid aus Wolle und Leinen genäht habe. Die Stoffe „spuckten“ ständig meine Stecknadeln aus. Nur die Klemmen haben gehalten. Auch bei einer Häkeljacke haben sie das Zuammennähen erleichtert.


Das wars soweit von mir. Gibt es etwas, auf das ihr beim Nähen nicht mehr verzichten wollt?


10 September 2020

Der Überwendlich- oder Saumstich, ein Alleskönner

Ein unterschätzter Handstich, der in vielen Bereich sehr nützlich ist. Hier also jetzt mein Loblied auf Denselben. 

In Handarbeitsbüchern unterscheidet man eigentlich zwischen dem Überwendlich- und dem Saumstich, da aber im Grunde immer dieselbe Nähbewegung durchgeführt wird, war ich so frei, alles unter einer Überschrift zusammen zu fassen. Im Text nenne ich dann aber den in Nähbüchern verwendeten Begriff.

In diesem Bild wird der Überwendlichstich verwendet, um eine Tüllspitze gleichzeitig leicht einzukräuseln und an ein Band zu nähen. Man sieht auch sehr schön die Ausführung des Stiches selbst - er wird quasi spiralförmig um die Kante gearbeitet.



Mit dem Überwendlichstich wurden im folgenden Bild Außenstoff und Futter an der rückwärtigen Kante einer Biedermeiertaille mit gegeneinander eingeschlagenen, hinteren Nahtzugaben zusammengenäht.


So ähnlich sieht es auch aus, wenn eine Nahtzugabe im Inneren des Kleidungstückes damit versäubert wird. Nur ist im Bild die Stoffkante roh und nicht umgeschlagen. Laut meinen Nähbüchern können aber auch hier zum Versäubern Außen- und Futterstoff vor dem Umstechen gegeneinander eingeschlagen werden. 

Unten kann man zudem ganz gut sehen, wie das weiße, ca. 1 cm breite Taillenband an der Oberkante in größeren Stichen an die Taille angenäht und ebenso die Rockfalten am unteren Rand des Taillenbandes überwendlich am Band fixiert wurden.


In diesen Bildern sieht man an einem anderen Beispiel en détail, wie die Rockfalten an ein Taillenband angenäht werden (links innen, recht außen unter der Paspel). Der weiße Faden auf dem Taillenband ist sozusagen die Rückseite eines Rückstiches mit dem der schwere Rock zur Sicherheit von außen zwischen Kante der Taille und der Paspelschnur nochmals am Oberteil befestigt wurde.


Aus normaler Entfernung aufgenommen und ohne die Nahtstellen absichtlich freizulegen ist der Überwendlichstich von außen unsichtbar. Ebenso wie der Rückstich verschwinden beide ober- bzw. unterhalb der Paspelierung.




Und eine Verwendungsmöglichkeit, die in der Moderne eher keine Rolle mehr spielt: Er eignet sich wunderbar um eine Kordel oder Schnur unten auf die Saumkante von Kleid oder Rock aufzusetzen. Gerade bei Bodenlänge scheuert sonst allmählich diese Kante durch. Mit diesem Trick muss im Zweifelsfall nur eine neue Schnur aufgenäht werden. Im Bild sieht man den Rock von innen, mit der aufgesetzten schwarzen Schnur unten. Die schwarze Saumblende ist ca. 8 cm hoch.



Eine ziemlich schlaue Variante des Überwendlichstiches zur Erstellung einer haltbaren Naht ist der „Point à rabattre sour la main“. Er ist leider mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Hier werden in einem Schritt Außen- und Innenstoff gleichzeitig beim Zusammennähen zweier Schnitt-Teile verbunden. Man sticht mit der Nadel quasi im rechten Winkel zur Naht und erfasst dabei immer die Stoffkanten 2-4. Immer abwechselnd von rechts nach links und von links nach rechts. Diesen Stich stelle ich ausführlich in einem gesonderten Beitrag vor, da er in diesem Rahmen schwierig zu erklären ist. Er läßt sich auch nur widerwillig ablichten. Beide Bilder sind von der Innenseite. Außen sieht man im Grunde nichts.


Oder der Überwendlichstich wird auch verwendet um zwei Stoffe ohne Nahtzugaben direkt an der Webkante zu verbinden. Das folgende Bild zeigt die Verbindung von zwei rechteckigen Wollshawls direkt an den Rändern, um ein großes, quadratisches Tuch zu erhalten. Diese quadratischen Tücher waren von den 1840ern bis in die Zeit der Krinolinenmode, zum Dreieck gefaltet, als Schultertücher sehr beliebt. Heute bekommt man in dieser Größe aber nur schwer etwas Passendes. Also habe ich zu diesem Trick gegriffen. 

Die Verbindung ist mit einem fliederfarbenen Seidengarn ausgeführt. Es wurden nur auf jeder Seite der Stoffbahnen zwei Kettfäden erfasst. Zuerst eine maximale Vergrößerung, deshalb leider etwas unscharf; darunter die Nahtstelle in der Bildmitte von oben nach unten verlaufend aus ca. 50 cm Entfernung (im Grunde sind nur die etwas dunkleren Webkanten zu erkennen).



Zu einer Zeit, als die Webkanten bei allen Stoffen noch nicht - wie heute - durch Übernähen gefertigt wurden und jetzt in Stärke und Optik teilweise deutlich vom restlichen Webbild abweichen, kam diese Art der Verbindung öfter vor. Z.B. ist aus dem Mittelalter das genannte Vorgehen bekannt. Es läßt sich simulieren, wenn man die zu verbindenden Stoffkanten nach innen umschlägt und statt der echten Webkante nur den Stoffknick mit der Nadel erfasst. 

Hier die Nahaufnahmen vom Inneren bzw. Äußeren meines Biedermeier-Unterhemdes, an dem ich diese Naht ausprobiert habe. Die sichtbare Breite der doppelt umgelegten und mit Saumstich fixierten Nahtzugaben beträgt jeweils 5 mm. Hätte man wirklich zwei Webkanten erfasst wie oben beim Shawl, gäbe es die natürlich nicht. So ist nur die Naht ein überwendlicher Stich, die Versäuberung der Nahtzugaben genau genommen ein Saumstich.



Auch hier erscheint er in seiner Ausführung als Saumstich. Das nachfolgende Bild zeigt die nach Umfalten noch 1 cm breite Nahtzugabe eines Schrägbandes mit eingenähter Paspel. Nach dem Annähen am Ärmelsaum wurde sie  auf der Innenseite nach zweimaligem Umlegen anstaffiert. So sieht auch jeder Saum oder jedes innen anstaffierte Schrägband aus, die mit diesem kleinen Handstich fixiert werden.


Im Bild oben verschwindet das Meiste des Fadens zwischen Futter und Außenstoff. Bei einlagigen Stoffen achtet man aber darauf, nicht nur von der Falz allenfalls ein paar Fäden auf die Nadel zu nehmen, sondern auch vom Außenstoff, damit der Nähfaden nicht auf der „schönen“ Seite zu sehen ist. Bei den folgenden Bildern mit (oben Innen- und unten Außenansicht) eines Unterhemd-Saumes, wurde natürlich genau darauf geachtet. Die sichtbare Saumtiefe beträgt ca. 1 cm.


Oder als Stich an einem winzigen Rollsaum (hier die 2 mm tiefe Rüsche einer Empire-Schute):



Außerdem verwendet man den Überwendlich- bzw. Saumstich auch bei der Kappnaht (eine genaue Anleitung für diesen Stich folgt zu einem späteren Zeitpunkt). Man kann entweder nur die doppelt umgeschlagene Nahtzugabe mit ihm fixieren oder man näht auch die erste Verbindungsnaht, die auf den folgenden Bildern mit Steppstich ausgeführt ist, mit einer Kappnaht. Egal in welcher Form; sie wird gerne für das Versäubern von Unterwäsche verwendet, da die Nahtzugaben so flach anliegen, nicht auftragen und sich in zarten Stoffen zierliche Säume herstellen und versäubern lassen. Deshalb als Beispiel auch hier wieder ein Unterhemd.

Links die Innenansicht (die schöne Seite der Steppstich-Naht ist links zu sehen, rechts daneben die anstaffierte Nahtzugabe, sichtbare Breite 5 mm). Das rechte Bild zeigt die Außenseite.


Eine weitere Möglichkeit zwei Stoffstücke mit diesem Stich zu verbinden, habe ich für die Naht zwischen Fußteil und Beinteil meiner Mittelalterstrümpfe verwenden. Eine belegte Methode gerade bei Wollstoffen. Der Vorteil: Die entstehende Naht liegt komplett flach und benötigt auch keine große Nahtzugabe. Und versäubert hat man die Kante im selben Schritt gleich auch. 

Für den Strumpf waren die Nahtzugaben an dieser Stelle 5 mm breit. Ich habe die Stoffkanten flach 1 cm tief übereinander geschoben. Es liegt dann jeweils eine Kante außen, eine innen. Diese Kanten werden dann mit kleinen überfangend gearbeiteten Stichen am darunterliegenden Stoff festgenäht. Im Bild unten erkennt man an der oberen Naht bei genauem Hinsehen die Stoffkante. Den Tragetest haben die Strümpfe übrigens bereits mit Bravour bestanden. Stabil und nichts drückt.


Ähnlich sieht es aus, wenn damit Blenden oder Tunnel aufgesetzt werden. Im folgenden Beispiel habe ich für ein Unterkleid (ca. 1815) innen und außen auf die Verbindungsnaht zwischen Ober- und Rockteil einen Stoffstreifen aufgenäht. Einmal zum Durchziehen des Taillenbandes und dann auch um die Taillennaht abzudecken. Den Stoffstreifen habe ich dazu an den Rändern zum Kleidungsstück hin umgelegt und an den Kanten festgenäht. Hier sieht man die Innenseite und über der umgelegten Kante erkennt man die Stiche mit denen der äußere Stoffstreifen an seiner Oberkante angenäht wurde. 


Die folgende, elegante Version eines Haken- und Ösenverschlusses einer Küraßtaille habe ich nach einer Anleitung aus „Die Anfertigung der Damengarderobe“ von 1886 hergestellt. Eine genaue Anleitung hierfür wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeliefert. 

Man sieht, dass die Kante der Stoff-Falte über den Ösen ebenfalls mit einem Saumstich fixiert ist. Der Vollständigkeit halber sollte ich allerdings noch erwähnen, dass in der Anleitung für diesen letzten Schritt eigentlich knapp an der Kante mit einem Steppstich durchgeführt wird. Ich konnte aber beim besten Willen durch soviele Stofflagen keinen schönen, kleinen Steppstich hinbekommen. Außerdem ist die Befestigung so von außen komplett unsichtbar. Auch die Abdeckung der Haken: mit Saumstich.



Last but not least: Bänder und Applikationen lassen sich natürlich auch mit ihm an- bzw. aufnähen. 

Es bleibt aber in jedem Falle festzuhalten: ein wirklicher Alleskönner, den man im Repertoire haben sollte.

01 August 2020

Der Hinter- oder Steppstich, mit einer Erwähnung des Rückstichs

Der stabilere und auch elastischere Verwandte des Vorstichs ist der Hinter- oder Steppstich. Er beginnt wie ein Vorstich: von unten durch und über den Stoff, dann in und unter den Stoff. Danach führt man die Nadel aber über dem Stoff zurück und sticht am Ende des vorangegangen Stiches ein.

So sieht es im Querschnitt aus, als ob sich der Faden in Längsrichtung in Schlingen durch den Stoff zieht. Aufgrund dieser Schlingen ist der Stich tatsächlich etwas längselastisch und sollte der Faden reißen, trotzdem haltbar. Wer einmal eine Handnaht aus Steppstich wieder auftrennen musste, weiß Bescheid. Hier ist sogar eine Maschinennaht deutlich weniger stabil. Gerade für Nähte, die einen Querzug aushalten müssen ideal.

Man hat im Rahmen von Ausgrabungen in London (Grabungshorizonte von ca. 1100 bis 1450 n.Chr.) Reste von Strümpfen gefunden, deren Längsnaht genau mit diesem Stich ausgeführt worden war. Die noch existierenden Funde belegen, dass die Strümpfe im schrägen Fadenlauf zugeschnitten wurden, damit sie sich gut an das Bein anlegen. Und damit hier die Längsnaht sozusagen mitgehen kann, hat man den Steppstich verwendet.

Zuerst ein Beispiel für die Hauptanwendung des Stiches. Das folgende Bild zeigt die Oberseite des Stiches, das zweite darunter die Unterseite. Hier werden die Schnitt-Teile einer 1848er Taille verbunden. Im Bild auch zu erkennen: der Heftstich, mit dem Außen- und Innenstoff verbunden wurden, um sie dann als ein Schnitt-Teil ohne Verrutschen behandeln zu können.



Man benutzt ihn aber auch um Kanten oder Biesen abzusteppen. Da ich bislang so etwas nicht im Kleiderschrank führe, habe ich ein kleines Muster angefertigt. Hier wurden erst zwei Lagen Stoff knappkantig zusammen genäht, umgeschlagen und die Kante schmal mit einem kleinen Steppstich abgenäht. Der besseren Sichtbarkeit halber habe ich hellen Stoff und dunklen Faden benutzt. Der Abstand zur Kante beträgt 2 mm. Man könnte so z.B. eine Kragenkante oder ein Revers betonen.



Als Rückstich bezeichnet man den Handstich, der sich aus einer Mischung von Vor- und Hinterstich ergibt. Er vereint den Vorteil des Vorstiches, der sich verhältnismäßig schnell arbeiten läßt, mit dem Vorteil des Hinterstichs, sich bei gerissenem Nähfaden nicht gleich aufzuräufeln. Irgendwie passt er deshalb sowohl in diesen, als auch in den Beitrag zum Vorstich; daher darf er in beiden mitspielen.

Man näht also im Normalfall einen Vorstich, sticht aber in regelmäßigen Abständen zurück, um die Naht gegen Aufräufeln zu sichern. Je nachdem, wofür man ihn benutzt, variiert man die Stichlänge und die Häufigkeit der Rückstiche.

Hier benutze ich ihn um die Rockbahnen eines Biedermeierkleides zusammen zu nähen. Jeweils links und rechts zum Bildrand hin erkennt man den Rückstich zur Sicherung der Naht. Dem Verwendungszweck angemessen wird sie mit einem kleinen Stich genäht. Die Nahtzugabe ist ca. 2 cm breit (ich habe mich beim Nähen der Einfachheit halber am Stoffdruck orientiert).


Er taugt auch gut zum Aufheften. Das untenstehende Bild zeigt die Innenseite einer Biedermeier-Taille. Hier habe ich mit dem Rückstich das Tunnelband aufgenäht, in dem der Stab zum Aussteifen eingeschoben wird. Da ich sichergehen wollte, dass das Band fest anliegt, besteht er nur aus einem sehr weit auseinander gezogenen Hinterstich, ohne Vorstiche dazwischen.